Inspirierende Persönlichkeiten: Hebamme Pia

"Be yourself. Everyone else is taken."

Menschen, die es schaffen einfach sie selbst zu sein und Dinge tun, die sie glücklich machen, findet man nicht unbedingt an jeder Straßenecke. Da es in der Welt und besonders in unserer Umgebung aber unglaublich tolle und inspirierende Menschen gibt, haben wir uns ein neues Format überlegt. Wir stellen euch von Zeit zu Zeit Persönlichkeiten vor, die uns aufgrund ihrer Art, Gedanken oder Arbeit einfach inspirieren und in vielerlei Hinsicht auch ermutigen.

Wir freuen uns wirklich sehr mit Pia starten zu dürfen. Vielleicht kennen sie die ein oder anderen schon? Pia ist mit Leib und Seele aber vor allem mit dem Herzen Hebamme in Innsbruck. Für uns, aber in erster Linie für euch, hat sie einen wundervollen Text über ihre Arbeit und ihre Gedanken geschrieben. Unser erstes Gespräch bleibt mir wohl immer in Erinnerung. Es gibt Menschen, die dein Denken einfach um ein Stück weit bereichern und Pia gehört definitiv dazu. Wir wünschen euch ganz viel Freude beim Lesen! Wer nicht genug bekommt, folgt ihr am besten gleich auf Instagram @hebamme.pia und besucht ihren Blog www.hebammepia.com.

Frauen, Kinder, Familien achtsam zu begleiten, sie zu unterstützen und ihnen zu helfen ist meine Berufung als Hebamme. Deshalb ist es für mich eine riesige Ehre, dass ich im World Fair Trade Shop Innsbruck als inspirierende Persönlichkeit vorgestellt werde.

Mein Name ist Pia und ich bin Hebamme aus purer Leidenschaft. Mein Privileg als Hebamme ist es nämlich Frauen und ihre Partner* in einer Erfahrung zu begleiten, die wohl zur außergewöhnlichsten und natürlichsten ihres Lebens gehört – eine Erfahrung, die ihr Leben verändern wird. Die Geburt ihres Kindes.

Die Geburt eines Kindes ist das pure Leben. Ein Kind ist die pure Natur – ein Geschenk. Geburt ist meine Quelle der Inspiration – die Quelle meiner Leidenschaft.

In unserer heutigen schnelllebigen, leistungsorientierten Konsumgesellschaft vergessen wir das Leben. Wir vergessen diese pure Natur und vor allem unsere Natürlichkeit. Wir vergessen woher wir kommen und wer wir sind – unseren Ursprung. Wir vergessen, was wir wirklich brauchen – unsere Natürlichkeit. Vielleicht vergessen wir sogar ein Stück weit uns selbst.

Ein Kind zu bekommen, lässt uns zurückkommen zu unserem Ursprung. In der Schwangerschaft befassen sich viele Frauen wieder mit ihrem Körper – mit sich selbst und dem kleinen Wesen. Wer bin ich? Was tut mir gut? Was brauche ich? Sie werden sich ihrer selbst bewusst, sie gehen achtsam und respektvoll mit sich und ihrem Kind um. Sie verändern sich. Aus einer anfänglichen Verunsicherung entsteht vielleicht ganz langsam ein konkretes, natürliches Ich. Eine Frau, die bereit ist für einen neuen Lebensabschnitt; ein Paar, das bereit ist für ein neues Leben – bereit für die bedingungslose, überwältigende Liebe für ihr Kind.

Eine Veränderung zu leben ist nicht immer einfach, auch wenn sie eine schöne Wurzel hat. Somit birgt diese Zeit auch viele Sorgen, Ängste und Zweifel. Überforderung. Die oftmals hohen Ansprüche an sich selbst und vor allem auch die Erwartungen der Gesellschaft verstärken diese Überforderung. Es werden Empfehlungen und Tipps gegeben, viele davon sind sehr hilfreich, andere können vielleicht zu viel werden. Es wird erzählt. Der Bauch der Schwangeren wird berührt. So viele wollen an diesem Glück teilhaben und mit diesem Wunder in Verbindung sein. Persönliche Geburtsgeschichten werden geschildert, mit Eindrücken, die vielleicht einen negativen Charakter haben. Es werden Ratschläge erteilt, für Situationen und Dinge, über die sich das Paar bislang noch keine Gedanken gemacht hat. Die Beiden hören jedoch gespannt zu, versuchen aufzunehmen und anzunehmen, um gewappnet zu sein, um vorbereitet zu sein.

Können wir das wirklich schaffen? Ist das nicht zu groß für uns?

Das ist eine der großen Herausforderungen für mich als Hebamme; euch zu bestärken und ein gutes Gefühl zu geben. Selbstvertrauen und Sicherheit. Ja! Ihr schafft das!

Ich versuche die werdenden Eltern dann wieder zurückzubringen zu ihrem Selbst, sie zu Stärken, sie sich ihrer selbst wieder bewusst werden zu lassen. Sie achtsam, respektvoll und natürlich zu begleiten. Die Frauen und ihre Partner bereiten sich vor, verändern sich weiter, entwickeln sich gemeinsam. Und irgendwann kommt die erste Wehe. Vielleicht zeigen Kind und Körper, dass es bald soweit ist. Vielleicht geht es los.

Die Geburt stellt für mich den Höhepunkt dieser gemeinsamen Entwicklung als Paar, als Familie dar. Nicht nur ihr Kind erblickt das Licht der Welt. Eine Familie wird geboren. Das Paar kommt als Familie aus dem Kreißsaal.

Diese ungeheure, faszinierende Kraft, die frei wird wenn ein Kind zur Welt kommt, verwandelt. Sie verändert die Sichtweise des Partners, der unglaublich Stolz und voller Respekt seine Frau mit neuen Augen sieht. Was er oft nicht weiß: Schon durch seine Anwesenheit, lässt er seine Frau die Kraft der Geburt leben, denn er ist die Heimat der Frau im Kreißsaal. Er gibt ihr Sicherheit, Halt und Vertrauen diesen Weg zu gehen. Die Kraft verändert die Frau, die oftmals selbst ganz erstaunt ist, dass sie jene diese wahnsinnige Energie besitzt. Sie ist überwältigt von sich selbst.

Als Hebamme habe ich die Ehre dabei zu sein; zu bestaunen und zu loben, zu helfen eine angenehme Position zu finden, zu motivieren, zu helfen neue Energie zu sammeln und einfach da zu sein. Gemeinsam mit ihrem Partner darf ich der Frau helfen die letzten Wehen zu verarbeiten und ihr Kind auf die Welt kommen zu lassen.

Die Geburt – die Geburt ihres Kindes – die Geburt als Eltern – die Geburt als Familie. Dieser Moment vereint sie für immer. Er wird jedes Jahr gefeiert. Dieser Augenblick voller Magie: das Kind kommt auf die Welt, ganz überrascht. Vielleicht hält es seine Augen noch geschlossen. Vielleicht hält es sie offen, groß und rund, in einem erstaunten Gesicht. Es schreit und tut seinen ersten Atemzug. Es ist da. Ruhe macht sich breit. Alles ist gut. Hallo Welt. Dieser Moment ist magisch. Seine Mama nimmt es auf ihren warmen Bauch. Ankommen. Sein Papa hält es mit seiner großen Hand.

Wärme, Liebe, Berührung.

Die drei sind wie in einer Blase, vollkommen.

Diese Geburt ist der Idealfall. Die Kraft der Geburt kann allerdings auch Gefahren mit sich bringen. Manchmal muss es dann schnell gehen. Vielleicht kommen mehrere Menschen in den feinen Raum, vielleicht wird das Licht heller gemacht. Besteht eine Gefahr für Mama oder Kind wird manchmal ganz plötzlich und schnell erklärt, es wird Ruhe bewahrt und gemeinsam entschieden. Alle passen auf, dass es den beiden gut geht.

Diese Notsituationen sind oftmals überwältigend für das Paar. Überforderung – meine Herausforderung als Hebamme. Ich bin da. Ich vermittle Ruhe und Sicherheit. Ich erkläre und passe auf, auf die Frau, ihren Partner und das Kind.

Als Hebamme darf ich auch traurige Momente erleben – stille Geburten. Geburten in denen ein Kind vielleicht nicht seinen ersten Atemzug tut. Geburten von Sternenkindern. Diese Kinder und ihre Eltern begleiten zu dürfen ist für mich die größte Ehre überhaupt. Dieses Kind kennenlernen zu dürfen, seine Eltern in dieser außergewöhnlichen Lebenslage kennenlernen zu dürfen und sie zu begleiten, zu unterstützen und ihnen Halt zu geben. Keine Worte können ausdrücken was in so einem Moment passiert. Ich bin einfach da. Voller Ehrfurcht, voller Respekt, voller Nähe und voller Achtsamkeit.

Die Geburt eines Kindes ist Veränderung.

Die Geburt eines Kindes ist ein Geschenk.

Sie lässt mich staunen.

Sie lässt mich wachsen.

Jedes Mal wenn ich dabei sein darf.

Dafür bin ich unglaublich dankbar.

*der Partnerin. (Wird in Fußzeile angefügt, um den Lesefluss nicht zu stoppen)

Dieser Text wurde in ganz klassischer, konservativer Form verfasst. (Paar – bzw. Partner) Natürlich dürfen die homosexuellen Paare nicht vergessen werden und vor allem auch nicht alleinerziehende Mütter.

Keine Frau darf vergessen werden, die eine traumatische Geburtserfahrung erleben musste. Keine Frau darf vergessen werden, die vielleicht keine Geburt erleben darf. Keine Frau darf vergessen werden, deren Kind nicht mehr am Leben ist. Ich habe den größten Respekt vor euch allen.

Alles Liebe.
Pia